Aktuelles   Kontakt   Interview   Skulptur Methode   Vita   Galerie   Preise   Transformation Impressum  

Interview


mit Christiane Klees

Haare und Ich

Ich erinnere mich noch daran, als ich das erste Mal zum Friseur ging,
irgendwie war das eine sehr ambivalente Erfahrung.
Was mir Spaß machte, war die Möglichkeit, über Haare eine völlig neue
Aussage über mich als Person zu treffen. Was mich verstörte, war die Art
und Weise, wie ich in diesem Friseurgeschäft durchgereicht wurde.
Es gab wenige persönliche Berührungspunkte und es hinterließ mich mit
dem Gefühl, nicht das Optimum für mich bekommen zu haben.
Der Haarschnitt ging zwar schon in die richtige Richtung aber ich hatte
das Gefühl, nicht wirklich gesehen worden zu sein. Die Qualität des Haar-
schnitts war deutlich spürbar durch die Person geprägt, die ihn ausgeführt
hatte. Das heißt, hier drehte es sich um das Weltbild, den Geschmack,
die Vorlieben, die eigene Lebensausrichtung, den persönlichen Hinter-
grund, die Bildung und vieles mehr, was am Ende sich auf meinem Kopf
manifestiert hatte. Das war mir allerdings damals nicht klar, als ich das
erstemal zum Friseur ging – woher auch?

Mir ist heute sehr bewusst, dass das in jedem Beruf so ist. All diese Be-
reiche bilden den Menschen zu dem aus, was er ist, was ihn ausmacht;
und so haben all diese Bereiche wesentlichen Einfluss auf die Ergebnisse
seiner Arbeit.
Als nächstes sollte man sich bewusst machen, wie viel Intimität Haare
schneiden beinhaltet. Es ist ja schließlich nicht nur der Friseur, der von
all diesen Bereichen geprägt ist – nein – auch der Kunde bringt all diese
Aspekte seines Lebens mit.
Aber wie soll das vonstatten gehen? Was für eine Einstellung muss ein
Friseur mitbringen, damit quasi im Vorfeld der Haarschnitt erkannt wird
und was für ein inneres Bild der Kunde von sich selbst hat?

- Die richtigen Fragen stellen – die durchaus sehr persönlich sein können.
- wertfreies Zuhören.

Solange das innere Bild nicht ganz deutlich herausgearbeitet ist, ist eine
Annäherung gar nicht erst möglich. Das Selbstbild des Klienten ist jedoch
nur ein Wegweiser, denn jetzt kommen die wirklich wichtigen Kriterien
ins Spiel, die Haare selbst. In welchem Zustand, welcher Menge, Qualität,
Spannkraft, Länge und Wirkung sind sie jetzt im Moment. Das ist die
Ausgangsbasis und daher von größter Bedeutung. Wenn Haare nicht die
Voraussetzungen mitbringen wie sie nötig sind für das innere Bild, sollte
man über diese Tatsache ausführlich sprechen. An dieser Stelle sollte
Fachwissen das erste Mal einfließen. Hier können Lösungen erarbeitet
werden – aber hier muss auch Realität wahrgenommen werden – manch-
mal auch unangenehme.
An diesem Punkt wird es wesentlich und Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit
stehen hier an erster Stelle. In dieser Situation decken sich manches Mal
Wahrnehmungs-Defizite auf und das Selbstbild des Klienten erfährt eine
Art Korrektur.

Dies ist mitunter der wichtigste Punkt und die alles entscheidende Aus-
einandersetzung. Will der Klient sich auf seine Individualität, die er nun
mal hat, einlassen oder bleibt er lieber in Ideen über sich selbst verstrickt?
Nur wer die Ehrlichkeit hat, kann den Weg wählen zur eigenen Schönheit.
Hier ist die Anleitung und Führungsqualität des Friseurs gefragt.
Hier komme ich jetzt mit meiner persönlichen Sicht und Erfahrung als
Friseur ins Spiel.

Meine Ausrichtung ist es, Haaren und Menschen in Ihrem Potenzial zu be-
gegnen und ihnen zu helfen zur eigenen Lebendigkeit und zum Selbstaus-
druck zu finden. Ist es das, was der Kunde sucht und anstrebt, dann kann
ich ihm mit meinen Fähigkeiten als Haarschneider begleitend beistehen.
Haare schneiden wird im Allgemeinen als eine handwerkliche Tätigkeit
gesehen, doch je länger und differenzierter man sich damit auseinandersetzt,
umso tiefere Schichten des Menschen werden auf dem Kopf sichtbar.
So ließen sich viele Aussagen treffen, auf Grund der Haare, die sich im
Leben des Menschen auch widerspiegeln. So könnte man durchaus
sagen: »Zeig mir Deine Haare und ich sag Dir, wer Du bist.«

»Schönheit» und »schön sein« ist daher in erster Linie über die Wahr-
nehmung der individuellen Schönheit möglich. Häufig erlebe ich, dass
Selbstwahrnehmung erst eingeübt werden muss. Es gibt aber auch einige
Menschen, die haargenau wissen, was ihnen steht und fordern mich heraus,
all mein Können einzusetzen, damit das Resultat das eigene klare Selbst-
bild widerspiegelt. Das macht Spaß und fordert heraus.

Es gibt auch, und das ist die Mehrheit, Mischformen von Wahrnehmungen.
Hier sind diejenigen gemeint, die das Potenzial ihrer Haare noch nicht
kennen gelernt haben oder die, die in verkehrten Bildern über sich selbst
verhaftet sind. Hier ist es ein großer Teil meiner Arbeit, experimentelle und
spielerische Lust zu wecken, die bereit ist sich neu wahrzunehmen. Nimmt
sich der Mensch allerdings selbst zu ernst oder ist verzweifelt mit seinen
Haaren, kann das leicht auch mal schief gehen.

Freude am Material Haare – Freude am Gestalten von Haaren und die
größte Freude, wenn jemand glücklicher geworden ist durch meinen
Haarschnitt, sind die Motive, die mich anspornen. Der Mensch ist und
bleibt ein Rätsel – Haare jedoch sprechen ihre eigene, meist deutliche
Sprache. Deutliche Sprache bedeutet nicht, dass ich sie auf Anhieb
verstehe, aber ich kann sehen ob ich mit den Dingen die ich für die Haare
tue, ankomme oder nicht. Die Reaktion der Haare, auf mein Tun hin, zu
beobachten ist Maßstab Nr.1.

Haare reagieren unmittelbar und wertfrei auf das, was man mit ihnen macht.
Sie zeigen mir somit den Weg, und das ist das Spannende in meiner Arbeit
mit Haaren. Ich bin quasi wie ein Detektiv, der auf der Spur des Haares
ist, am Ende finde ich jedoch keinen Verdächtigen, sondern hoffentlich
den schönen, harmonischen Look, die lebendigen Haare, die sich sichtbar
zueinander ordnen, einen Haarkörper, der natürliches Volumen hat und
von sich aus in seine Form fällt ohne großen Aufwand.

Das Sensible an Haaren ist, dass sie ein Spiegel von uns sind. Sie verdienen
einen achtsamen Umgang, so wie wir es sonst auch als selbstverständlich
ansehen, dass achtsam mit uns umgegangen wird. Es ist deutlich sichtbar
und fühlbar, wenn wir bereit sind, dort unsere Aufmerksamkeit hinzugeben,
so wie auch in allen anderen Lebensbereichen gilt, dasjenige was wir in
etwas investieren, kommt auch wieder heraus.

Freude und Liebe gehen dort hervor, wo hinein ich investiere und Kunst
entsteht da, wo sich Liebe mit Können und Hingabe vereint.

Selbstbewusstsein und Haare sind für mich untrennbar,
deswegen ist »Haare und Bewusstsein« meine ständige Zielvorgabe.

zum Anfang oder zurück zur Hauptseite